Es ist 2017: Männer haben Denkmäler - Frauen haben Zukunft

8.3.2017 Rede von Alena Karaschinski, Kreisverbandssprecherin, zur Aktion zum Frauentag 2017

Heute ist der 8. März 2017 und wir müssen feststellen, dass grundsätzliche Frauenrechte und Errungenschaften, die die Generationen von Frauen vor uns in unserer westlichen Gesellschaft erkämpft haben, wieder in Frage gestellt werden. 

Es ist das Jahr 2017 und in den USA legitimiert der mächtigste Mann der Welt mit seinem Habitus eine Kultur, gegen die wir Frauen uns seit Jahrzehnten wehren: eine Kultur, in der das unerlaubte Berühren unserer Körper legitim ist, in der das auf den Oberschenkel tätscheln, das auf den Hintern klopfen und das in-den-Schritt-fassen, heißen soll „ey, ich find dich toll!“ und dass ich mich „doch nicht so haben soll“ und „mich nicht so anstellen soll“.

Es ist 2017 und im Europaparlament vertritt ein polnischer Abgeordneter die Haltung, dass Frauen selbstverständlich weniger verdienen müssen, denn sie sind kleiner, schwächer und weniger intelligent. So absurd wir das finden, wir sollten nicht den Fehler machen, ihn nicht ernst zu nehmen. Ein Europaabgeordneter hat Macht und Einfluss nach innen in seine Partei, in sein Land. DAS ist ein Meinungsmacher.

Es ist 2017 und in unserem Nachbarland können die Frauen des Landes eine Verschärfung des eh schon im europäischen Vergleich sehr strengen Abtreibungsrechtes nur mühsam verhindern.

Es ist 2017, und mit der AfD erhält der Mythos der „natürlichen Geschlechterordnung“ und der „klassischen Familie“ in Deutschland Auftrieb. Aber nicht verwunderlich, sind wir es doch von der AfD gewöhnt, nicht gerade kenntnisreich in Bezug auf die Kulturen der Welt zu sein, um zu erkennen, dass in der angeblichen „Natürlichkeit“ ganz viel „kulturelle und soziale Prägung“ steckt.

Es ist 2017 und nicht nur an den Stammtischen, sondern auch in den deutschen Medien ist es wieder en vogue, über gendergerechte Sprache zu lästern, ist das Verschweigen von nachgewiesenen Zusammenhängen zwischen Sprache und Denken nicht mehr ein Zeichen von Ignoranz oder Dummheit, sondern salonfähig.

Es ist 2017 und noch immer können wir in Deutschland nicht von gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit reden, noch immer sind traditionelle Frauenberufe weit schlechter bezahlt als traditionelle Männerberufe: eine Erzieherin hat nach 40 Arbeitsjahren durchschnittlich 211.000 € weniger verdient, als ein KFZ-Mechaniker nach 40 Arbeitsjahren. Frisörinnen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen – sie alle arbeiten im Niedriglohnsektor, obwohl ihre Arbeit oft schwerst und hoch qualifiziert ist. Kein Wunder, dass Frauen in Deutschland noch immer häufiger von Armut und Altersarmut betroffen sind und es noch lange bleiben werden.

Also lasst uns drüber reden und streiten und nicht leugnen, dass es noch immer strukturelle und kulturelle Diskriminierungen gibt! Die Deutung der Realität, die politische Gestaltung unserer Gesellschaft und die Geschichtsschreibung sind noch immer männlich geprägt. Auch wenn eine Frau mittlerweile Kanzlerin werden konnte in Deutschland - Frauen sind in unserem Land noch immer krass unterrepräsentiert in den Führungs- und Entscheidungsgremien von Medien, Wissenschaft, Wirtschaft, Justiz und Politik. Nein, wir haben noch längst keine Gleichberechtigung erreicht. Sie ist so weit entfernt, wie der Jüngling hinter uns schaut.

Wer behauptet, wir hätten Gleichberechtigung erreicht, der irrt und sieht nicht die zumeist traditionellen Rollen, in denen viele von uns spätestens nach der Familiengründung stecken. Wer behauptet, in der DDR hat es doch Gleichberechtigung gegeben, der sieht nicht die Doppelbelastung von DDR-Frauen mit einer 42h-Woche und überwiegender Verantwortung für die Kinder und den Haushalt; und der weiß vielleicht auch nicht, dass der weit überwiegende Teil der Scheidungsanträge von DDR-Frauen eingereicht wurde – allzu oft mit der Begründung „weil der Mann nicht genug im Haushalt geholfen hat“. Traditionelle Rollenverteilungen auf Kosten der Frauen.

Tatsächliche Gleichberechtigung kommt nicht von allein, sondern muss noch lange in unserer westlichen Kultur erkämpft werden: in der Beziehung, am Arbeitsplatz, in der Politik und in uns selbst. Allzu oft tappen auch Frauen in die Falle und reden abfällig über sogenannte Quotenfrauen in Gremien und verkennen dabei, dass die Frauen Expertinnen sind, wie alle anderen Gremienmitglieder auch - nur eben, dass sie es als die Ersten und Einzigen schwerer haben als alle anderen.

Allzu oft tappen auch Frauen in die Falle wenn sie meinen, wenn wir Frauen nur den Mund genug aufmachen, dann werden wir uns schon durchsetzen. Ist dem so? Leider nein. Wir sind die best-ausgebildetste Generation Frauen: klug, selbständig, selbstbewusst. Mehr Mädchen als Jungs machen Abitur. Mehr Frauen als Männer haben einen Berufs- und einen Studienabschluss - auch in BWL. Kann mir irgendjemand sagen, warum der Frauenanteil in den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen im Jahr 2016 ganze 6,7% beträgt?

Lasst wenigstens UNS aufhören, auf „individuelle Probleme“ hinzuweisen, wo kulturelle und strukturelle Hindernisse uns Frauen diskriminieren! Wir wollen die Hälfte der Macht – nicht mehr und nicht weniger. Und dafür werden wir streiten. Und auch wenn wir dieser Tage einen „Rollback“ erleben – wir werden die Errungenschaften unserer Urgroßmütter, Großmütter und Mütter verteidigen und keinen Millimeter Rückschritt zulassen.

Und so stehen wir also auch in unserer kleinen Stadt Frankfurt (Oder) vor dem Kleist – Denkmal und werden aus ihm mittels einer pinken Mütze – dem Symbol des Woman March in Washington – ein Symbol für uns und unseren Protest machen. Heben wir die Gläser: auf den Weltfrauentag! Auf unsere Urgroßmütter! Auf unsere Großmütter! Auf unsere Mütter! Auf uns!

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